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US-Aktienmarkt: Eine Bewertungsanpassung wird kommen

Während in den letzten Jahren weltweit die meisten wichtigen Aktienmärkte mehr oder weniger starke Verluste zu verzeichnen hatten, zeigten sich die US-Indizes nahezu unbeeindruckt. Kam es doch mal zu einer seltenen Korrektur, wie etwa im Sommer 2015 oder Anfang 2016, wurde diese innerhalb weniger Monate komplett wieder ausgeglichen. Mit Ausnahme dieser kurzen Episoden notieren die US-Aktienmärkte seit Ende 2014 in einer relativ schwankungsarmen Seitwärtsbewegung, wobei einige der Indizes in den letzten Tagen sogar neue Allzeithochs erreicht haben.

Eben dies gibt allmählich Anlass zur Sorge. Dass sich die Amerikaner kaum um den durchwachsenen Zustand der Weltwirtschaft scheren, ist eine Sache. Jedoch werden auch zunehmend bedenkliche Tendenzen des eigenen Wirtschaftsraums ignoriert. So sind die Gewinne der im marktbreiten S&P 500 notierten Konzerne vom 2. Quartal 2015 bis zum 1. Quartal 2016 im Durchschnitt nicht nur beständig zurückgegangen, sondern diese Tendenz hat sich von Quartal zu Quartal sogar immer mehr verstärkt – die Gewinnreduktionen wurden zunehmend größer. Für das 2. Quartal 2016, dessen Berichtssaison in vollem Gange ist, rechnen Analysten mit erneut gesunkenen Gewinnen.

Dass dabei die niedrigen Erwartungen des „Marktes“, also besagter Analysten, häufig geschlagen wurden, kann man entweder mit einem Schmunzeln oder einem Kopfschütteln zur Kenntnis nehmen. Momentan scheint es wirklich so, als käme es den US-Aktienmärkten allein darauf an. Gewinnsituation? Unwichtig. Umsatz? Uninteressant. Ausblick? Völlig egal. Na dann ist den Analysten wohl zu empfehlen, zukünftig noch deutlich geringere Schätzungen zu verlautbaren – vielleicht steht der Dow Jones wenig später bei 20.000 Punkten.

Scherz beiseite. Die beständigen Gewinnrückgänge haben dazu geführt, dass der bereits Ende 2014 relativ hoch bewertete US-Aktienmarkt mittlerweile historisch sehr teuer ist. Verzerrende Sondersituationen der letzten Jahrzehnte ausgeklammert, notiert das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des S&P 500 derzeit auf einem historischen Höchststand. Dies ist mit Sicherheit nicht mehr lange aufrechtzuerhalten – eine Bewertungsanpassung wird in absehbarer Zeit erfolgen.

Sprich: Entweder werden die Unternehmensgewinne schon bald wieder steigen – darauf deutet derzeit allerdings kaum etwas hin – oder die US-Aktienindizes werden in absehbarer Zeit nennenswert sinken, und zwar diesmal nachhaltig, also solange, bis der Ausblick der US-Konzerne wieder nach oben zeigt.

Moment, werden Sie jetzt vielleicht entgegnen – aufgrund der aktuellen Zinssituation und Geldschwemme vieler Notenbanken sind Aktien alternativlos und müssen schon deshalb weiter steigen! Letzteres ist ein Irrglaube, wie sich an der Realität leicht ablesen lässt: In Europa fährt die EZB bereits seit Jahren einen expansiven Kurs, und von Jahr zu Jahr wurde dieser immer weiter verstärkt. Würde es sich so verhalten wie behauptet, müssten die europäischen Indizes ständig neue Allzeithochs ausbilden. Der DAX etwa notiert jedoch derzeit rund 20 Prozent unter seinem Höchststand, und dies ist kein europäisches Phänomen aufgrund hausgemachter Krisen: Auch der japanische Leitindex Nikkei 225 liegt circa 20 Prozent unter seinem 2015er-Hoch.

Wo aber liegt bei der genannten These der Denkfehler? Es wird ignoriert, dass jede Aktie sich mittel- bis langfristig an der Situation des jeweiligen Unternehmens orientiert. Nur kurzfristig können auch andere Faktoren, etwa ein temporär erhöhtes Geldvolumen, das in diese Aktie fließt, eine nennenswerte Rolle spielen. Egal, wie viel Geld in den Markt hineingepumpt wird: Letztendlich wird sich der Kurs einer Aktie auf dem Niveau einpendeln, der der Unternehmenssituation angemessen ist. Denn eben darauf basieren die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern.

Dies wissen natürlich insbesondere auch erfahrene Großinvestoren – und legen ihr Geld nicht zuletzt am Rentenmarkt an, obwohl sie mit Staatsanleihen bester Bonität teilweise sogar eine Negativrendite erzielen. Der springende Punkt ist jedoch: Hier ist praktisch sicher, dass sie am Ende der Laufzeit 99 Prozent oder mehr ihres Kapitals zurückerhalten. Am Aktienmarkt können es dagegen auch 10, 20, 30 Prozent weniger sein.

Anlagezertifikate: Bei Kursstürzen Kaufchancen prüfen

Nun ist doch passiert, wofür die Wettbüros noch am Wahltag eine Wahrscheinlichkeit von lediglich ca. 20 Prozent prognostizierten: Die Briten haben am vergangenen Donnerstag für den Austritt ihres Landes aus der Europäischen Union gestimmt. Aufgrund der völlig anderen Erwartungshaltung – die Börsen waren in den Tagen zuvor deutlich gestiegen, da auch die Anleger allgemein von einem Verbleib in der EU ausgegangen waren – brachen die weltweiten Aktienmärkte am Freitag massiv ein. Der wichtigste Index der Eurozone, der EuroStoxx 50, etwa verlor in der Spitze rund 10 Prozent an Wert.

Solche heftigen Einbrüche, die mit einem massiven Anstieg der sogenannten Volatilität einhergehen, führen bei bestimmten Anlagezertifikaten zeitweise zu ausgesprochen günstigen Kaufgelegenheiten. Dies will ich an folgendem Beispiel verdeutlichen:

Unter der WKN SG88RW lässt sich ein Bonuszertifikat der Societe Generale auf den EuroStoxx 50 erwerben. Vorausgesetzt, die französische Großbank meldet keine Insolvenz an – Zertifikate haben generell ein Emittentenrisiko -, wird das Produkt am 25. November dieses Jahres zu einem Preis von 88,75 Euro zurückgekauft, sofern der EuroStoxx 50 bis zum 16. November, also innerhalb von knapp fünf Monaten, niemals einen Stand von 1.500 Punkten unterschreitet – dieses Niveau hatte der Index zuletzt vor 21 Jahren. Selbst vom Freitagstief aus betrachtet hatte das Wertpapier damit einen Puffer von rund 45 Prozent; bezogen auf Schlusskursbasis dieses Tages war er sogar noch etwas größer.

Aufgrund des massiven Kurseinbruchs des EuroStoxx 50 wurde dieses Zertifikat am Freitag zeitweise erstaunlich niedrig gepreist: Wies das Papier am Donnerstag noch einen Schlusskurs von 87,81 Euro auf, war es am Freitagmorgen zwischen 8 und 9 Uhr im Tief für weniger als 84 Euro erhältlich. Mit diesem Kurs ergab sich eine Renditechance von rund 5,5 Prozent – aufs Jahr umgerechnet entspricht das rund 13 Prozent p.a. (An- und Verkaufskosten noch nicht berücksichtigt, wobei die bei Nutzung des Emittentenhandels eines günstigen Brokers, etwa flatex, in der Regel kaum ins Gewicht fallen).

Leider währte die sehr niedrige Bewertung dieses Bonuszertifikats nur kurz: Am Freitagabend war es mit rund 86 Euro schon wieder deutlich teurer (entspricht einer Renditechance von immerhin 3,2 Prozent bzw. knapp 7,7 Prozent p.a.) – das Beispiel zeigt jedoch, dass es gerade an Tagen mit einem massiven Einbruch lohnen kann, sich auf die Lauer zu legen.