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Anlagezertifikate: Bei Kursstürzen Kaufchancen prüfen

Nun ist doch passiert, wofür die Wettbüros noch am Wahltag eine Wahrscheinlichkeit von lediglich ca. 20 Prozent prognostizierten: Die Briten haben am vergangenen Donnerstag für den Austritt ihres Landes aus der Europäischen Union gestimmt. Aufgrund der völlig anderen Erwartungshaltung – die Börsen waren in den Tagen zuvor deutlich gestiegen, da auch die Anleger allgemein von einem Verbleib in der EU ausgegangen waren – brachen die weltweiten Aktienmärkte am Freitag massiv ein. Der wichtigste Index der Eurozone, der EuroStoxx 50, etwa verlor in der Spitze rund 10 Prozent an Wert.

Solche heftigen Einbrüche, die mit einem massiven Anstieg der sogenannten Volatilität einhergehen, führen bei bestimmten Anlagezertifikaten zeitweise zu ausgesprochen günstigen Kaufgelegenheiten. Dies will ich an folgendem Beispiel verdeutlichen:

Unter der WKN SG88RW lässt sich ein Bonuszertifikat der Societe Generale auf den EuroStoxx 50 erwerben. Vorausgesetzt, die französische Großbank meldet keine Insolvenz an – Zertifikate haben generell ein Emittentenrisiko -, wird das Produkt am 25. November dieses Jahres zu einem Preis von 88,75 Euro zurückgekauft, sofern der EuroStoxx 50 bis zum 16. November, also innerhalb von knapp fünf Monaten, niemals einen Stand von 1.500 Punkten unterschreitet – dieses Niveau hatte der Index zuletzt vor 21 Jahren. Selbst vom Freitagstief aus betrachtet hatte das Wertpapier damit einen Puffer von rund 45 Prozent; bezogen auf Schlusskursbasis dieses Tages war er sogar noch etwas größer.

Aufgrund des massiven Kurseinbruchs des EuroStoxx 50 wurde dieses Zertifikat am Freitag zeitweise erstaunlich niedrig gepreist: Wies das Papier am Donnerstag noch einen Schlusskurs von 87,81 Euro auf, war es am Freitagmorgen zwischen 8 und 9 Uhr im Tief für weniger als 84 Euro erhältlich. Mit diesem Kurs ergab sich eine Renditechance von rund 5,5 Prozent – aufs Jahr umgerechnet entspricht das rund 13 Prozent p.a. (An- und Verkaufskosten noch nicht berücksichtigt, wobei die bei Nutzung des Emittentenhandels eines günstigen Brokers, etwa flatex, in der Regel kaum ins Gewicht fallen).

Leider währte die sehr niedrige Bewertung dieses Bonuszertifikats nur kurz: Am Freitagabend war es mit rund 86 Euro schon wieder deutlich teurer (entspricht einer Renditechance von immerhin 3,2 Prozent bzw. knapp 7,7 Prozent p.a.) – das Beispiel zeigt jedoch, dass es gerade an Tagen mit einem massiven Einbruch lohnen kann, sich auf die Lauer zu legen.

Börsenaussichten: In nächster Zeit eher vorsichtig agieren

Am 23. Juni entscheiden die britischen Wähler über den Austritt ihres Landes aus der Europäischen Union. Für den Fall, dass eine Mehrheit gegen einen Verbleib stimmt, erwarten Experten sowohl für die EU, insbesondere aber für Großbritannien selbst, in der Folgezeit deutliche Nachteile, etwa ein geringeres Wirtschaftswachstum.

Dadurch wird das Brexit-Referendum zu einem börsenrelevanten Ereignis, wobei zwei Szenarien wahrscheinlich sind:

1. Möglichkeit: Derzeit – und dies wird sich bis zum Referendum wohl auch nicht entscheidend ändern – liegen Gegner und Befürworter eines Austritts in Umfragen Kopf an Kopf. Dadurch könnte sich, je näher der Termin rückt, an den Aktienmärkten immer mehr Unsicherheit breit machen, denn unklare Verhältnisse mögen diese überhaupt nicht. Der „sensible“ DAX könnte in diesem Szenario besonders stark unter Druck geraten – eventuell würde im Juni sogar das letzte Tief bei 8700 Punkten noch mal ins Visier genommen.

In der Vergangenheit oftmals zu beobachten war übrigens, dass eine Wende bereits einige Tage vor dem wichtigen Ereignis eintrat – somit könnte das (vorläufige?) Tief schon etwa Mitte Juni erreicht werden, bevor dann „Risikofreudige“, die auf einen Sieg der EU-Befürworter setzen, zuschlagen.

2. Möglichkeit: Trotz der knappen Umfrageergebnisse halten viele Experten einen Sieg der EU-Befürworter für sehr wahrscheinlich und verweisen darauf, dass bei der Teilnahme an Umfragen gern in Stammtischmanier geantwortet wird, wenn es dann aber zur tatsächlichen Entscheidung kommt, in aller Regel die wirtschaftlich vernünftigste Lösung gewinnt. Daher ist es durchaus möglich, dass auch der „Markt“ stark von einem Verbleib Großbritanniens in der EU ausgeht und bis zum Referendum nur wenig oder sogar gar keine Unsicherheit zeigt.

In diesem Szenario halte ich es allerdings für sehr wahrscheinlich, dass nach dem Referendum eine Abwärtsbewegung an den Aktienmärkten eintritt, da sich in Erwartung eines günstigen Ausgangs zu viele Marktteilnehmer auf steigende Kurse eingestellt und sich entsprechend positioniert haben. Eine Rolle dürfte ebenfalls spielen, dass wir uns saisonal in den historisch eher schwachen Sommermonaten befinden.

Sollten die EU-Befürworter gewinnen, würde der Downmove erst nach einer kurzen „Erleichterungsrallye“ beginnen, falls es dagegen anders kommt, natürlich sofort. In letzterem Fall ist sogar ein kleiner Crash, also ein Tagesverlust von mehr als 5 Prozent, möglich.

Fazit: Anleger am Aktienmarkt sollten in nächster Zeit eher vorsichtig agieren. Ein Kauf bei Schwäche – etwa nach einer Entscheidung für einen EU-Austritt – kann erwogen werden, aber auf keinen Fall würden wir derzeit in steigende Kurse hinein kaufen. Dies gilt natürlich nicht für Sparpläne, die aufgrund des Cost-Average-Effekts sozusagen „timingresistent“ sind. Vergleichen Sie dazu diesen Artikel.